von Ingetraud Lippmann | Nachdem ich die Erfahrung mit Abos von Zeitschriften an der Haustüre gemacht hatte, musste ich gegen meine Gutmütigkeit vorgehen. Durch meine Sprechanlage sage ich nun alles ab.
Nach unserer Flucht wohnten wir in Allwörden bei Freiburg an der Elbe in Kehdingen bei einem großen Bauern. Als zwischen 1945 und 1947 die Armut sehr groß war, gingen viele Menschen von Tür zu Tür betteln. Überwiegend waren es Tauschgeschäfte von Ausgebombten in den Städten, die noch etwas aus ihrem Haushalt bei der Ausbombung gerettet hatten.
Auch zu Bauer Meyer kamen sie und boten Teppiche, Bettwäsche, gute Schuhe und Taschen und vieles mehr an. So gingen sie von Hof zu Hof, von Haus zu Haus.
Viele Einheimische nahmen etwas ab, denn es gab so etwas noch nicht zu kaufen. Konnte ein Einheimischer von dem Angebotenen etwas gebrauchen, bekamen die Händler Speck, Wurst, Eier, eben einige leckere Sachen zum Essen.
Als wir ab Herbst 1945 wieder zur Schule gingen, sahen wir ab und zu Menschen auf einem Fahrrad, die einen fest zusammen gerollten Teppich am Herrenrad befestigt hatten. Auch auf dem Gepäckträger klemmte eine volle Tasche. Bald erfuhren wir, dass oftmals hungrige Menschen aus Stade 32 Kilometer bis nach Allwörden gefahren waren. Sie taten das für ihre hungrige Familie.
Wir Flüchtlinge hatten nichts zum Tauschen. Auf unsere Flucht konnten wir nur das mitnehmen, was wir auch tragen konnten. Oft tat uns Kindern der Rücken weh vom schweren Schleppen, und wir hatten auch Hunger.
Etwa 1947 bis 1948 liefen die Tauschgeschäfte allmählich aus. Viele Bewohner klebten Zettel an die Haustüre: ,,Wir tauschen und geben nichts.“ Wie Kinder so sind, flüsterten wir anderen Kindern ins Ohr: „Jetzt haben die Bauern ihre Kühe auf Teppichen im Stall liegen, und nun brauchen sie nichts mehr und geben auch nichts mehr.“ Oder haben auch Erwachsene darüber gelästert?
Bald hörte man nichts mehr über die Zeit, aber die Erinnerung bleibt.
Autorin: Ingetraud Lippmann