von Claus Günther | Ach, früher, ja … Was man da so für Ideen hatte! Meine Schwiegereltern, in Hamburg ausgebombt, hatte es nach Holm-Seppensen bei Buchholz verschlagen. 1955 bekamen sie in Hamburg eine Wohnung. Na, super! Also konnten meine Frau und ich heiraten und in das Behelfsheim nach Holm-Seppensen ziehen.
Aber wir besaßen kein Auto und mussten täglich per Bahn nach Hamburg fahren und zurück, denn in Hamburg arbeiteten wir. Kein Zustand auf Dauer!
Doch wie kommt man an eine Wohnung? In Hamburg-Barmbek zum Beispiel. Wenn man 81 Punkte hat, kriegt man angeblich sofort eine, doch wer hat die schon?
In Barmbek konnte man sich registrieren lassen, doch das Hamburger Amt für Wohnungswesen schrieb mir auf Anfrage am 7.4.1956: „Wohnraum kann Ihnen in absehbarer Zeit (…) nicht zur Verfügung gestellt werden, da bereits über 250.000 Wohnungssuchende vorgemerkt sind.“ Übrigens bekam ich meine Anfrage original zurück, mit der getippten behördlichen Antwort – auf der Rückseite.
Was nun, was tun? Die „magische Zahl“ waren 40 Dringlichkeitspunkte, aber auch die waren ein Traum. Nach vielen Überlegungen beschloss ich, „ganz oben“ anzufragen, nämlich in Bonn, beim Bundeswohnungsbauminister, das war damals ein gewisser Dr. Preusker. Dem schrieb ich am 4.2.1957 und rechnete ihm Punkt für Punkt Folgendes vor:
(1) Ich bin LAG-= (Lastenausgleichs-)berechtigt, da die Eltern ausgebombt wurden…8 Punkte
(2) Langer Arbeitsweg von Holm-Seppensen nach Hamburg und zurück….……………..10 Punkte
Also 18 Punkte insgesamt. Weitere 20 Punkte hätte ich bekommen, wenn ich selbst eine Wohnung besessen hätte. Leider war ich zur Zeit der Ausbombung erst 13 Jahre alt. Und ich hätte selbst bei einer zerstörten eigenen Wohnung erst 38 statt der erforderlichen 40 Dringlichkeitspunkte erhalten.
Die Antwort kam am 11.2. – vom Ausgleichsamt Hamburg. Wichtigster Satz: „Soweit ein Antragsteller ausserhalb Hamburgs wohnhaft ist, er aber seinen Arbeitsplatz in Hamburg hat, kann von der Punktzahl 40 Abstand genommen werden.“
Empfohlen wird mir – nicht etwa uns als Ehepaar – , einen Bauherrn zu suchen, der gegen Baukostenzuschuss eine im Bau befindliche Wohnung zur Verfügung stellen will. Ist das geschehen, kann ich einen Antrag auf Aufbaudarlehen stellen, und zwar für eine Mietwohnung, in Höhe von DM 3.300,– bei 60 qm Wohnfläche. Dies Darlehen „wird im Laufe von 50 Jahren pro anno mit 2% zinslos getilgt.“ Und dann wird mir noch geraten, mich beim Landesausgleichsamt für einen Bauherrn vormerken zu lassen; „es ist aber zu empfehlen, sich ausserdem der Presse zu bedienen. Weitere Auskünfte können Ihnen jederzeit fernmündlich erteilt werden.“
Na, das war doch was!
Wir haben uns dann eine Wohnung in Hamburg gesucht, gerieten an einen betrügerischen Makler, mussten die Kaution doppelt bezahlen und haben den Baukostenzuschuss verloren gegeben: Wir hatten keinen Bock auf eine 2%ige Tilgung, die 50 Jahre dauern sollte.
Autor: Clasus Günther