von Ingeborg Schreib-Wywiorski | April 1972. Mit einem schnittigen kleinen Leihwagen fuhr ich vom Death Valley durch die Wüste Richtung Las Vegas.
Stundenlang geradeaus. Kein Baum irgendwo, nur vertrocknete niedrige Sträucher in grausandigem, steinigem Geröll. Eine zweispurige Landstraße. Absolut kein Verkehr.
Als wäre ich der letzte Mensch auf diesem Weg. Keiner überholt mich, keiner kommt mir entgegen. Soweit das Auge reicht.
Dann plötzlich scheint die Straße leicht anzusteigen: hinten am Horizont eine kleine schmale Brücke, über die die Straße einen ausgetrockneten Bach überquert. An seinen Rändern tatsächlich ein paar graugrüne Büsche. Meine Straße wird dreispurig. Ich müsste jetzt auf die rechte Spur wechseln. Muss ich? Da ist doch weit und breit niemand. Ich bin zu faul.
Doch kaum bin ich auf dem Brückchen, springen dahinter zwei Polizeibeamte auf die Straße und halten mich an.
Erneute Kontrolle der Papiere. Ich habe gegen die Verkehrsregeln verstoßen, nicht angezeigt, dass ich die Spur zu wechseln hätte.
Ich gebe mich zerknirscht: „Aber da ist doch weit und breit kein Auto in Sicht. Vor mir nichts, hinter mir nichts. Seit Stunden!“, wende ich ein. Ja, aber sie, die Verkehrskontrolleure sind da, und die amerikanischen Verkehrsregeln müssen eingehalten werden. Immer. „Sie haben Glück, dass Sie Ausländerin sind, sonst würden wir jetzt eine kräftige Geldbuße einkassieren.“ Und bedauernd geben sie mir meine Papiere zurück und verschwinden wieder in die paar vorhandenen Büsche.
Und ich fahre weiter geradeaus und geradeaus, stundenlang, bis ich in die Bannmeile des damals noch recht verschlafenen Las Vegas gerate. Meine Güte, war ich froh, als ich es nach Inspektion der so genannten Spielhölle wieder verlassen konnte.
Kopfschüttelnd und neugierig hatte ich die alten Damen an den einarmigen Banditen mit ihren Portemon-naies voller Cent-Stücke beobachtet und die Spieler mit den dicken Dollarbündeln am Baccarat-Tisch. Aber was sollte man in diesem Provinznest aus flachen Spielcasinos und einem sechsstöckigen Hotel mit großer Abendshow mitten in der Wüste tagelang machen – außer Spielen und mit ein wenig Glück abends Frank Sinatra zuhören. Absolut trostlos.
Autorin: Ingeborg Schreib-Wywiorski