von Lisa Schomburg | 1944 war ich 14 Jahre alt und somit noch im Wachstumsalter. Meine Kleidung wollte nicht mitwachsen.
Da kam meine Mutter auf die Idee, einfach ein Stück Stoff von einem ihrer Kleider in einen meiner Röcke einzupassen. Da es ein Faltenrock war, musste das Stück Stoff auch sehr lang sein. Sie meinte damals, dass sie das Stück nicht unten ansetzen wolle, weil es dann erst recht verlängert aussehen würde. So setzte sie sehr sorgfältig das lange Stoffstück etwas höher in den Faltenrock ein, und ich konnte ihn noch ein Jahr länger tragen.
Gleich nach dem Krieg 1945 fehlte es uns nicht nur an Nahrungsmitteln, sondern auch an Kleidung. Die Erwachsenen hatten alle sehr viel nachgedacht und sich gegenseitig Tipps gegeben, wie sie fast aus Nichts etwas herstellen konnten.
Mein Vater brachte Maschinenöl von seiner Arbeit mit nach Hause und meine Mutter briet darin Kartoffeln, die wir aus unserem Garten ernten konnten, den wir noch behalten hatten. Diese Bratkartoffeln hatten in unserer Familie eine durchschlagende Wirkung.
Irgendwann brachte mein Vater Getreide mit nach Hause. Meine Mutter röstete die Körnchen in einer Pfanne schön braun, mahlte sie in unserer Kaffeemühle, die man zwischen die Knie klemmte, und dann mit einer Kurbel drehte. Aus diesem braunen Pulver kochte sie dann „Kaffee“.
Immer noch hatten wir eine alte Hakenkreuzfahne, die meine Mutter am 20. April (sehr wichtig: Hitlers Geburtstag) in die dafür angebrachte Vorrichtung über unserer Ladentür steckte.
Meine Mutter hatte ebenfalls am 20. April Geburtstag, und wenn die Nachbarn die Fahne über unserem Laden sahen, sagten sie: Ach, Elisabeth hat ja heute Geburtstag!
Aus dieser Fahne nun trennte meine Mutter den weißen Kreis mit dem schwarzen Hakenkreuz heraus und nähte für mich aus dem roten Stoff einen Rock. Auch wenn der Rock an der Stelle, wo das Hakenkreuz gesessen hatte, etwas roter und der übrige Stoff ein wenig verblichen war – was machte das schon!
Autorin: Lisa Schomburg