von Peter Bigos | Aus frühester Kindheit entsinne ich besonders, dass meine Altersgenossen und ich die merkwürdigen Hemdhosen, Leibchen und langen, braun geriffelten Strümpfe getragen haben. Die Leibchen dienten zur Befestigung der langen Strümpfe. Oft halfen die Eltern beim Anziehen. Das war gar nicht so einfach, denn der Strumpf musste mit einem Knopf am Halter befestigt werden.
Etwas später hatten wir den Dreh raus, allerdings hielten wir diese Beinkleider für mädchenhaft und altmodisch. Trotzdem war die Kinderkleidung frei nach Zille damals praktisch.
Am Badestrand in Pommern 1939 trugen die Damen Einteiler, und das Haar schützten die Frauen mit einer Gummi-Badekappe, vom Bikini war man noch weit entfernt.
Die Herren kleideten sich mit kurzen Badehosen, ähnlich wie heute.
Nach 1938 waren Russenkittel oder Litevka in allen gängigen Farben bei den Knaben als Sonntagskleidung sehr beliebt. Die exotische Ausstrahlung war wohl ausschlaggebend. Nach meiner Auffassung war dafür der deutsch-sowjetische Freundschaftsvertrag der Hintergrund.
Ebenso verhielt es sich wohl mit der sportlichen Damenbekleidung nach den olympischen Spielen in Berlin l936. Meine Mutter sah sehr gut aus und versuchte immer modisch gekleidet zu sein. Sie hatte einen sportlichen, hellbraunen Übergangsmantel und passend dazu einen kleinen, sportlichen Hut.
Einen gewissen Military-Look, also Trainingsjacke, Hose mit bunten Applikationen und Schiffchen-Mütze, habe ich bereits vor 1939 getragen. Zu meiner Einschulung im April 1940 bekam ich einen Bleyle-Matrosen-Anzug, auf den ich sehr stolz war. Offenbar habe ich die meisten Kleidungsstücke von meinem Cousin Henry geerbt, der 2 Jahre älter als ich und etwa gleich groß war. So bekam ich auch 1943 seine komplette Jungvolk-Uniform.
Die Familie meines Cousins war finanziell besser gestellt, und meine Mutter war froh, dass sie sich dadurch einige Ausgaben für ihren schnell wachsenden Ältesten sparen konnte. Für meine beiden Geschwister hat meine Mutter auch auf der Singer-Nähmaschine einiges genäht. In der Küche war Mutter immer mit einer Küchenschürze zusätzlich bekleidet.
Auf einer Reise mit meinem Vater nach Schlesien trug ich eine braune Jägerjacke mit grünem Kragen und Hirschhornknöpfen. Die halbwüchsigen männlichen Verwandten waren riesengroß und durchweg schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß.
Die Schuh-Gamaschen meines Vaters aus den zwanziger Jahren fand ich toll, und sie mussten von mir anprobiert werden. Nach 1930 lagen sie nur noch unbeachtet im Schuhschrank herum und wurden zu Silvester oder Karneval zur allgemeinen Heiterkeit angezogen.
Mein Vater war im Berliner Arbeiter-Milieu aufgewachsen, hat aber seine Lehrzeit in einer Anwaltskanzlei erlebt. Später kleidete er sich als Justizangestellter eher konservativ nach Behördenvorschrift. Meistens sah ich ihn im dunklen Zweireiher mit Krawatte und grauem Filzhut, und im Winter mit dunklem Stoffmantel auf dem Weg zum Arbeitsplatz im Amtsgericht.
Nach dem 2. Weltkrieg haben wir durch die Kriegswirren den größten Teil unserer Kleidung verloren. Irgendwie mussten wir uns mit den Resten von Kleidung und Geschenken von der Verwandtschaft begnügen.
So bekam ich auch Knickerbocker. Anfangs war ich begeistert davon, aber die Begeisterung hielt sich nach einiger Zeit in Grenzen.
Die Westalliierten stellten für die deutsche Bevölkerung umgefärbte Hemden, Hosen und Wäsche als Secondhand-Ware zur Verfügung. Davon machten auch wir Gebrauch.
Nach 1950 hatte ich eine Manteljacke, Joppe genannt, mit Fischgrätenmuster. Der Mantelstoff war schwer, steif und ziemlich dick.
In der Damenmode setzte sich der Fuchspelz mit Kopf durch, und im Winter war ein Muff modern für warme Hände.
In Hamburg habe ich mich nach 1960 beim Herrenausstatter mit einem neuen Zweireiher, Wintermantel und elegantem, grauen Hut und Krawatten eingekleidet. Bei meinen Arbeitgebern, besonders bei der Krankenkasse, war der Anzug mit Krawatte Vorschrift. Nach 1968 waren die Kleidervorschriften häufig lockerer. Einher ging dies sicher mit der politischen und sozial-liberalen Entwicklung in Deutschland.
Autor: Peter Bigos