von Claus Günther | An einige Läden, in denen das Verkaufspersonal, unterstützt von der Ehefrau, aus dem Besitzer bestand, erinnere ich mich noch gut. Das Ehepaar wohnte auch gleich hinterm Laden. Sehr praktisch! Denn wenn man etwas vergessen hatte, konnte man dort nach Ladenschluss „hinten rum“ einkaufen. Das war natürlich nicht erlaubt, eigentlich; man musste schon namentlich bekannt sein.
„Lauf mal rüber zum Krämer!“, hieß es in meiner Kinderzeit. Bei unserem Krämer in der Eißendorfer Straße in Harburg gab es fast alles, was man so brauchte im täglichen Leben. Vieles davon wurde „lose“ aufbewahrt, das heißt entweder in Schubladen, in Blechdosen oder in Glashäfen. Die vom Kunden gewünschte Menge wurde entnommen. sorgfältig abgewogen und häufig, vor allem bei kleinen Portionen, in Spitztüten abgefüllt, sofern es sich nicht gerade um Gewürzgurken, Sauerkraut oder Ähnliches handelte.
„Kolonialwaren“ stand an dem Laden dran. Drinnen roch es nach Kaffee – und nach Bohnerwachs. An der Tür stand ein Plakat mit diesem Text:
„Ich bin bemüht,
stets freundlich zu bedienen.
Die Flüsterer und Schieber
werf’ ich raus!
Gehörst, verehrter Kunde,
Du zu ihnen,
so rat‘ ich Dir,
verlasse dieses Haus!“
1944 fiel der Laden, nein, das ganze Haus den Bomben zum Opfer.
Anfang der 60er Jahre zogen wir nach Stellingen, und da gab es ganz in der Nähe auch noch solch einen Einzelhändler. Daniel Haupt hieß der Mann. Er, beziehungsweise seine Frau, brachte morgens sogar die Brötchen ins Haus, und jeden Samstag lag ein Tütchen mit Bonbons dabei, für unsere kleine Tochter.
Kauften wir im Laden ein, gab’s auch mal „was zu“ für die Kleine. Und immer wurden ein paar Worte gewechselt: eine Frage nach dem Befinden, ein Scherz übers Wetter… man kannte sich eben. Etwa um 1970 gab Frau Haupt (der Mann war inzwischen verstorben) aus Altersgründen den Laden auf; kurz darauf wurde das ganze alte Haus abgerissen.
Natürlich haben wir damals das meiste längst im Supermarkt gekauft, bei Edeka. Der „Tante-Emma-Laden“ von Daniel Haupt war viel zu teuer. Dann machte der erste Aldi-Markt hier auf – ein Discounter, dem schließlich auch der Edeka-Laden zum Opfer fiel. Seither kaufen wir weitgehend „anonym“ ein, jedenfalls selten noch bei jemand, der uns persönlich kennt. Nur in wenigen Geschäften ist das anders: z. B. bei meinem Bäcker, und an der Tankstelle, wenn der Chef gerade da ist.
Doch ich vermisse meinen „Tante Emma-Laden“.
Autor: Claus Günther