von Günter Lucks | Endlich war der völkermordende Krieg beendet. Nicht nur europäische Länder waren von der deutschen Herrschaft befreit, auch die Tore der vielen KZ-Lager wurden geöffnet. Man sah Leichenberge und viele ausgemergelte Häftlinge, die das Glück hatten, zu überleben.
Am 8. und 9. Mai 1945 wurden die Urkunden unterzeichnet. Deutschland hatte kapituliert, die Nazizeit war beendet. Mit Recht sollte der 8. Mai als Tag der Befreiung in die Geschichte eingehen.
Ich war allerdings nicht befreit. Als 16-jähriger Kindersoldat kämpfte ich im April 1945 gegen die anstürmenden Panzer der Roten Armee. Eine Katjuschasalve (Stalinorgel nannten wir das) schlug am 2. Mai neben mir ein. Ich blutete aus vielen Wunden.
Der 8. Mai war ein schöner, sommerlicher Tag. Im Lazarettzug liegend hatte ich große Schmerzen. Der Sanitäter konnte mir nicht helfen, denn die wenigen Schmerzmittel, die noch vorhanden waren, bekamen nur die Schwerverwundeten, um ihren Tod zu erleichtern. Weine nur Bubi, sagte der Sani, das hilft etwas. Dann gab er mir eine Tablette zum Einschlafen.
Ich dachte an die Bombennächte in Hamburg 1943, ich konnte mich retten, mein großer Bruder verbrannte. Nun auch noch das hier, ich war verzweifelt. Die Schmerzen ließen nicht nach, aber ich schlief bald ein. Dass ich dann noch fast 5 Jahre hinter Stacheldraht sitzen und Schwerstarbeit leisten musste, konnte ich natürlich nicht wissen.
Aber jetzt war ich ein Gefangener, am Tag der Befreiung.
Autor: Günter Lucks