von Claus Günther | Wer einen Ball gibt, lädt zu einer festlichen Veranstaltung ein, dementsprechend kleiden sich die Gäste. Wenn dies aber 1949 geschieht, vier Jahre nach Kriegsende und ein Jahr nach der Währungsreform, darf man davon ausgehen, dass noch nicht alle Eingeladenen über festliche Kleidung verfügen.
Überhaupt spukte der Begriff „Ball“ wohl eher meiner Großmutter im Kopf herum, die sich an ihre Jugendzeit erinnerte, als ich sagte, ich sei zu einem Maskenball eingeladen worden. Meine Mutter hingegen fragte gleich, von wem und wo, und entschied daraufhin, das sei eine ganz normale Maskerade, ich solle mir nur nicht so viele Gedanken machen.
Tat ich aber, denn 1. war ich 18 und hatte noch nie eine Maskerade mitgemacht, 2. wusste ich nicht, als was ich mich verkleiden sollte, und 3. wollte ich – wenn schon, denn schon – zumindest einen Preis gewinnen: „Die drei originellsten Kostüme werden prämiiert!“
Nun war und bin ich vom Typ her eher ein Klamottenmuffel als ein besonders modebewusster Mensch, und das engte mich, meine Kleidung betreffend, weiter ein. Klingt plausibel, doch die Wahrheit ist: Wir waren ausgebombt, und mit dem Zeug, das ich besaß, war kein Staat zu machen, wirklich nicht. Als Königssohn jedenfalls konnte ich schlecht gehen. Hinzu kam: Mich sollte ja auch niemand erkennen vor der Demaskierung, vor allem meine Freundin nicht! Ich grübelte und grübelte, doch schließlich hatte ich eine Idee.
Ich scheitelte mein Haar in der Mitte (damals ging das noch), schmierte Pomade als Festiger drauf, lieh mir von Omi eine Nachthaube und von meinem Onkel ein bodenlanges, ausrangiertes Nachthemd. Dazu eine Sonnenbrille mit einem Glas (ich wollte ja auch was sehen!), Pantoffeln und als Clou des Ganzen ein Ausklopfer – fertig war der Typ „komische Alte“. Ich war sehr zufrieden mit mir und machte mich auf den Weg.
Weniger oder besser gesagt gar nicht zufrieden zeigte sich nach meiner Ankunft meine Freundin, die mich sofort erkannte und sich danach von mir fernhielt. In den Pantoffeln konnte ich ohnehin nicht tanzen, das Demaskieren konnte ich mir sparen – und einen Preis bekam ich später auch nicht. Obendrein war ich meine Freundin los, und so war mein erster Maskenball dann auch der letzte.
Autor: Claus Günther