Die Ostzone und Weihnachtspakete

von Harald Schmidt | Weihnachten war immer eine spannende und aufregende Angelegenheit.

Es ging früh damit los, dass die Dinge für die Verwandten in der „Ostzone“ eingekauft wurden. Ostzone war für uns, auch dank der Medien, allen voran die Bildzeitung, ein ständiger Begriff. Für unsere Brüder und Schwestern in der Ostzone oder SBZ. Später waren es die Menschen in der sogenannten DDR oder auch nur „DDR“.

Anfang Oktober kamen Briefe unserer Verwandten mit der Bitte um gewisse Dinge zum Backen, die in der DDR gerade aus waren. Meine Oma in Ostberlin beglückte uns immer mit selbstgebackenem Stollen. Dafür mussten dann die Zutaten sehr rechtzeitig auf die Reise geschickt werden. Gleichzeitig wurde ein Brief mit der Inhaltsangabe des Paketes verschickt, um eventuelle Manipulationen festzustellen. So manches Paket war etliche Wochen unterwegs, kam durch den DDR-Zoll geöffnet oder gar nicht beim Empfänger an.

Die Inhaltsangabe musste sehr akribisch ausgefüllt sein, sonst wurde die Sendung eingezogen oder zurückgeschickt. Oben drüber musste immer stehen: „Geschenksendung, keine Handelsware“. Als ich richtig und sauber schreiben konnte, war dies meine Aufgabe. Waren – nach Ansicht der Prüfungsorgane – die Mengen zu groß für den benannten Personenkreis, lief es wie vorher beschrieben. Manchmal wurden auch „nur“ Teilmengen entnommen.

Die Sendungen mussten bei der Zollstelle des zuständigen Postamtes abgeholt werden. Nur alte und kranke Menschen bekamen die Sendungen ins Haus gebracht, so jedenfalls in Berlin. Wie auch immer, wir bekamen unseren Stollen. Ca. 3 Wochen musste er zum Reifen liegenbleiben aber dann!! Der war immer superlecker und für uns ein Schatz. So etwas bekam und bekommt man auch heute nicht zu kaufen.

Von meiner Oma aus Berlin erhielten wir viele Dinge. Für mich einen Stabilbaukasten, etwas zur „Modell“-Bahn und einige Dinge mehr. Manchmal waren auch Süßigkeiten dabei. Die mochten wir nicht so gern. Aber „drüben“ gab es nichts anderes.

Meine Eltern erhielten Kunsthandwerkliches. Es waren hübsche Dinge dabei, die ihren Platz bei uns an den Wänden fanden.

Von unserer Verwandtschaft aus Magdeburg bekamen wir zum Fest Walnüsse vom eigenen Baum und Pfefferminztee. Was sonst noch, weiß ich nicht mehr.

Im Paket klöterte es ganz schön, wenn die Postbotin zu uns in die 5. Etage kam. Sie musste 98 Stufen laufen, deswegen auch „Treppendackel“ genannt. Unsere Postbotin war Frau Aschermann. Das verstand ich wohl falsch und sie hieß bei mir Frau Ascheimermann, das war für mich ein Begriff.

Die Weihnachtspakete von uns nach „drüben“ mussten mindestens 3-4 Wochen vor dem Fest zur Post gebracht werden, um rechtzeitig einzutreffen. Sie enthielten Genussmittel wie Bohnenkaffee, Apfelsinen, Kakao, Schokolade, Südfruchtkonserven und noch einige andere Dinge, die in der dortigen Mangelwirtschaft fehlten.

Auch etwas von mir Selbstgebasteltes kam hinein. Zuerst ein gemaltes Bild, später, als ich mit der Laubsäge unfallfrei umgehen konnte, Walt Disney Figuren, mit Tusche bemalt und anschließend lackiert.

Autor: Harald Schmidt