von Manfred Hüllen | 1944 erfolgten die ersten Angriffe auf Dresden durch Bomberverbände der Alliierten. Das veranlasste den ortsansässigen Volkssturm, in unserem Dorf Tissa nahe Stadtrhoda, einen „Waldbunker“ zu bauen.
Zunächst wurden Tannen gefällt. Ein Bauer stellte seinen Traktor zur Verfügung, um sie zu transportieren und anschließend die Baumstümpfe aus der Erde zu wuchten. Wir Dorfkinder schauten uns die Arbeiten an, Pferde zogen dann die Wurzelballen weiter in den Wald. Auf dem freigewordenen Platz wurde mehrere Tage lang gegraben, es entstand ein Loch in einer Größe von ca. 15 x 10 Metern, mindestens 3 Meter tief. Rechts und links davon wurde ca. 1 Meter breit und 80 cm Meter tief die Erde abgetragen.
In der Zwischenzeit wurden die Tannen auf eine Länge von 11,80 Meter abgesägt; sie wurden dann in entsprechender Position auf das Bunkerloch gelegt. So entstand eine Baumdecke; auf diese wurde dann noch Erde geschüttet. Somit hatte der Waldbunker eine Decke von insgesamt 1,5 Meter. Darauf wurden dann Tannenzweige gelegt und einige kleinere Tannen wieder eingepflanzt. So konnte von oben nicht erkannt werden, dass es sich um einen Erdbunker im Wald handelte.
Innen im Bunker wurden an zwei Wänden 14 Meter lange Sitzbänke aus Holz angebracht. Als diese fertiggestellt waren, wurden alle Dorfbewohner zusammengerufen, um sich in den Bunker zu setzen. Wortführer war ein Mann vom Volkssturm, der mir sehr grob vorkam; er hatte eine laute, unangenehme Stimme – wir Kinder hatten alle Angst vor ihm!
Meiner Mutter wurde eingeschärft, im Alarmfall sofort in diesen Bunker zu laufen, er war etwa 200 Meter von unserem Wohnhaus entfernt. Tatsächlich waren wir einmal bei Alarm in diesem Bunker. Leider stand darin etwa 20 Zentimeter hoch das Wasser, so dass fast alle nasse Füße hatten. Der Flugzeugangriff galt der nahen Ortschaft Stadtrhoda.
Für uns Kinder war der Bunker ein gruseliger Spielort. Wir erzählten uns dort die schaurigsten Geschichten. Einmal wurde der Bunker kurzfristig als Gefängnis für einen mit dem Fallschirm abgesprungenen Engländer genutzt. Leute vom Volkssturm wollten ihn an der Dorflinde aufhängen, doch aus Stadtrhoda gekommene Feldjäger verhinderten das. Sie nahmen den Tommy mit – man kann nur hoffen, dass ihm dies das Leben gerettet hat.
Autor: Manfred Hüllen