von Peter Bigos | Erst seit dem Jahr 1975 hatte ich als Autofahrer das „Vergnügen“ zwischen Hamburg und Berlin die F5 des öfteren zu benutzen. Anfangs führte die Strecke durch die Innenstädte der Ortschaften. Besonders in Erinnerung sind mir die Orte Ludwigslust, Perleberg, Kyritz und Nauen geblieben.
Die Infrastruktur insbesondere der Straßen war schlecht. Nur nach und nach verbesserte sich der Straßenzustand. Mit meinem VW-Käfer geriet ich einmal versehentlich in ein Schlagloch. Es gab einen Krach, als wäre die Vorderachse gebrochen. Zum Glück war nichts gebrochen, aber wir saßen fest, konnten uns jedoch mit eigener Hilfe aus dieser Situation retten.
Die Fachwerkbauten, Kirchen und Wohnhäuser – auch aus dem 19. und 20. Jahrhundert – machten einen ruinösen Eindruck. Unerträglich war der Abgas-Gestank des „Trabant“, im Volksmund Trabbi genannt, das Auto der DDR. Eher selten sah man den „Wartburg“, ein etwas besseres Automodell.
Uns als Reisende aus dem Westen fielen vor allem am Straßenrand und auf Plätzen die großen Propaganda-Plakate und Transparente mit „Kampfparolen“ auf: „Vorwärts auf dem Weg des Sozialismus“; „Zum Wohle des Arbeiter- und Bauernstaates“; „Die Arbeiterklasse der DDR kämpft für die erfolgreiche Durchführung des 5-Jahresplanes“; „Schulter an Schulter mit dem Helden der Arbeit, dem Genossen Hennecke“; oder „In unerschütterlicher Treue mit unseren Genossinnen und Genossen in der Sowjetunion“.
Kurz vor Staaken durchquerten wir das ehemalige olympische Dorf Dallgow-Döberitz. Die kasernenähnlichen Gebäude wurden bis zur Wende von der Roten Armee genutzt, befanden sich aber in einem bedauernswerten Zustand. Die sowjetischen Soldaten waren nur notdürftig untergebracht. Die moderne Version des russischen Panzers T 34 auf dem Schießplatz direkt neben der F5 war dagegen für uns sehr beeindruckend.
Die meisten Kontakte gab es mit den Angehörigen der Grenztruppen und dem Ost-Zoll. Meistens beschränkte sich allerdings der Wortwechsel nur auf das Notwendigste, etwa beim Aushändigen und Annehmen der Ausweispapiere, des Visums, oder der Gesichtskontrolle und der Bezahlung der Visumgebühr.
An einen kleinen Zwischenfall an der Grenzkontrollstelle kann ich mich besonders erinnern: Eines Tages sind wir an der Grenzkontrolle in Horst zunächst abgewiesen worden, weil ein Foto im Kinderausweis unserer Tochter fehlte. Der Zöllner sprach sehr forsch: „Sie müssen wieder zurück nach Hamburg. Ohne einem Foto von Ihrer Tochter kommen Sie hier nicht weiter!“ Obwohl wir vor den DDR-Zöllnern einen verständlichen Respekt hatten, verlangte ich den Vorgesetzten. Ein Offizier der Grenztruppen wurde herbeigerufen und fragte nach meinem Wunsch. Ich erklärte ihm, dass wir aus familiären Gründen nach Berlin müssten und sein Untergebener unser Vorhaben verzögern wollte. Er sagte daraufhin: „Vergessen Sie das was er gesagt hat und kommen Sie mit Ihrer Tochter in die Baracke. Dort steht ein Photomaton. Sie machen das Foto und erhalten dann ein befristetes Ersatzvisum.“ Tatsächlich, in einem großen Raum stand ein Fotoautomat nach westlichem Muster. Der Offizier war nett und freundlich. Es klappte alles und wir konnten nach Erledigung der Formalitäten weiterreisen.
Bei einer anderen Fahrt auf der Transitstrecke hatte ich bei der Ausfahrt am Grenzpunkt Staaken ein Hinweisschild mit der Aufschrift: „Vorfahren nur nach Aufforderung“ übersehen. Den Abstand zum vorderen Fahrzeug von ca. 5 bis 10 m hatte ich eingehalten. Der Grenzer saß gemütlich in seinem grünen Wachhäuschen und ließ uns warten, obwohl der PKW vor uns schon seit einer Weile abgefertigt war. Ich wollte schon den Motor abstellen, doch dann fuhr ich beherzt vor.
„Haben Sie denn nicht gelesen, was auf dem Warnschild steht? Wie kommen Sie eigentlich dazu ohne Aufforderung vorzufahren?“, sagte der Grenzer mürrisch. Ich meinte: „Na ja, wir haben schon auf Ihr Zeichen eine Weile gewartet. Sie schauten zu uns rüber und so dachte ich, dass wir jetzt an der Reihe wären.“ Er fragte mich lachend: „Sind Sie etwa Lehrer, dass Sie mich belehren wollen?“. Endlich durften wir weiterfahren und waren froh, nach wenigen Metern wieder in Westberlin zu sein.
Soweit ich mich erinnere, war das Tanken an der F5 erlaubt und auch die WC-Benutzung. In einer Gaststätte direkt an der Straße, es kann in Kyritz gewesen sein, wurden wir einmal abgewiesen mit dem Hinweis, dass der Verkauf von Getränken an Westdeutsche verboten sei. Später gab es dann auf der Raststätte Quitzow den so genannten Intershop, einen Selbstbedienungsladen nach westlichem Muster, wo DDR-Bewohner und Westdeutsche bzw. Westberliner für Westmark Qualitätswaren aus dem Westen erwerben konnten. Zu Kontakten kam es nicht, weil offenbar keiner dem anderen traute.
Autor: Peter Bigos