von Ingrid Kosmala | Wir wohnten damals in einem kleinen Dorf in der Nähe von Trittau, Schleswig-Holstein. Mit zwei weiteren befreundeten Familien hatten wir uns Ende Dezember Ferienhäuser am Limfjord in Jütland gemietet. In der Zeit vom 25. Dezember bis zum 2. Januar wollten wir die Weihnachtstage und den Jahreswechsel im beschaulichen Dänemark verbringen.
Am 1.Weihnachtstag, bei strömendem Regen, fahren wir gen Norden. Vorfreude und Stimmung sind sehr gut. Schon haben wir den Nord-Ostsee-Kanal überquert! Plötzlich kommen uns die ersten LKW mit Schnee auf ihren Trucks entgegen. Hurra, es schneit!
Als wir am Urlaubsort ankommen: ein Traum von Winterlandschaft, wie aus dem Prospekt der Skigebiete. Die Häuser sind alle gemütlich eingerichtet, und so wird am Abend das Feuer im Kamin angezündet. Das ist Weihnachtsstimmung wie aus dem Bilderbuch, der perfekte Urlaub, da sind wir uns alle einig.
Draußen ist es sehr kalt. 20° minus, und in der Nacht noch ein paar Grad mehr. Heftig!
Der Limfjord ist zugefroren, man erkennt jede kleine Welle im Eis. Und es schneit und stürmt weiter. Jetzt geht keiner mehr freiwillig vor die Tür. Diese Kälte, dazu der Schnee und obendrein dieser eiskalte scharfe Wind, der selbst die Fensterläden klappern lässt!
Silvester ist die Stimmung auf dem Nullpunkt. Irgendwie ist alles völlig anders als geplant. Im Fernsehen nur noch Katastrophen-Stimmung, ständig Sondersendungen. Dörfer sind abgeschnitten von der Außenwelt, keine Versorgung, die Stromnetze sind ausgefallen, das öffentliche Leben findet an vielen Orten nicht mehr statt.
Die Grenze nach Deutschland? Geschlossen! Ratlosigkeit, nichts geht mehr. Was kann man tun in solch einer Situation? Nichts. Nur abwarten. Die Gastfreundschaft der Dänen ist vorbildlich. „Bleibt so lange hier wohnen, bis ihr sicher nach Hause kommt!“
Am 3. Januar 1979 kommt die Meldung, es werden Bergungspanzer eingesetzt an der Grenze. Endlich! Jetzt wird auf die Schnelle gepackt, und los geht’s, Richtung Heimat. Die ersten Konvois werden gebildet. „Alle Autos volltanken und auf den genauen Abstand achten!“ Klare Ansagen.
Es ging los, äußerste Konzentration war erforderlich, und es fühlte sich an, als sei man auf einer Bobbahn unterwegs, so hoch waren die Schneeberge an der Autobahn. Es gab keine Möglichkeit eine Pause einzulegen, durchhalten hieß die Parole. In Neumünster dann endlich der erste Stopp, alle Fahrzeuge mussten rechts ranfahren und den Gegenverkehr durchlassen in Richtung DK, natürlich auch angeführt von einem Panzer.
Nach 14 Stunden Fahrt kamen wir kaputt aber glücklich zu Hause an. Der Garten war eine einzige Schneewüste, im Carport stand mein Auto, aber auch dort lag der Schnee 2 Meter hoch. Ein Albtraum!
Und der wiederholte sich dann noch einmal im März. Zum Glück gab es einige Bauern bei uns im Dorf, die große Maschinen zum Einsatz brachten. Mit dem Trecker und der Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr wurden die Besorgungen in Trittau erledigt, und alle im Dorf fühlten sich gut betreut. Im Nachhinein stellten wir fest: Geschafft haben wir’s nur in der Gemeinschaft.
Es war ein Erlebnis, aber man muss das nicht noch einmal haben (vor allem waren wir etwa 42 Jahre jünger).
Autorin: Ingrid Kosmala