von Claus Günther | Abneigung gegen Ausländer? Ach wo. Es hat mir immer Freude gemacht, Fremde in ihrer eigenen Sprache zu begrüßen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zuerst habe ich das 1944 ausprobiert, als wir, ich war damals 13, im Rahmen der Kinderlandverschickung ins heutige Tschechien verbracht worden waren. „Ahoj!“, sagten wir, meine Kameraden und ich, wenn wir einen Laden betraten. Den Einheimischen gefiel das offenbar; sie sahen uns an, nickten und lächelten. Eines Tages aber sagte uns ein Tscheche, der gut Deutsch sprach, ahoj heiße so viel wie „auf Wiedersehen“ (es entspricht unserem Tschüß). Peinlich!
Bei Reisen ins Ausland nehme ich immer ein kleines Wörterbuch mit. Begrüßungen (und mehr) auf Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch klappen damit eigentlich immer; für mich gehört das zum guten Ton.
In einem Kaufhaus in Stockholm standen hinter mir im Fahrstuhl ein paar junge Deutsche, die irgend eine Auskunft wollten. Einer meinte, man solle mich einfach fragen, ein anderer hielt mich für einen Schweden, während ein Dritter überzeugt war, ich sei Deutscher. Sie diskutierten, ich verzog keine Miene. Schließlich hielt der Fahrstuhl. Einer wollte an mir vorbei, merkte aber, dass ich auch aussteigen wollte und ließ mir den Vortritt. „Tack så mycket!“, dankte ich und hörte noch, wie einer sagte: „Siehste, der is doch ´n Schwede.“
Und hierzulande? Deutschland ist Einwanderungsland geworden. Die größte Gruppe stellen die Türken. Wenn ich in eines ihrer Geschäfte gehe, um Obst oder Gemüse zu kaufen, sage ich „Merhaba!“, das heißt „Guten Tag!“. Beim Verlassen des Ladens verabschiede ich mich mit „Allahaismarladik“ und bekomme ein freundliches „Güle güle!“ zur Antwort. Unsere türkischstämmigen Mitmenschen fühlen sich akzeptiert, und das gefällt mir.
Anders ist es, wenn ich mit Bus oder U-Bahn fahre und mit Fremden auf Tuchfühlung zusammenkomme. Wenn die dann eine Sprache sprechen, die ich nicht verstehe, ist das deren Sache. Kritisch wird es, wenn es eine Gruppe ist, die sich lauthals unterhält. Dann fühle ich mich ausgeschlossen und komme mir manchmal vor wie – fremd im eigenen Land.
Ob das auch Mallorquiner empfinden, wenn die Deutschen dort massenweise aufkreuzen und sich benehmen, als gehöre ihnen die Insel? Gut, Mallorcas Haupt-Einnahmequelle ist der Tourismus, darauf haben die Einwohner sich eingestellt. Ein ganz anderes Beispiel: Wir machten Urlaub in Bodrum (Türkei). Bei einem Teppichhändler erklärte uns ein junger Mann akzentfrei auf Deutsch die Technik des Teppichknüpfens. „Sie sprechen aber gut Deutsch!“, staunte meine Frau. „Sie aber auch!“, antwortete er. Es stellte sich heraus, dass er in Harburg (!) geboren und aufgewachsen und danach mit seinen türkischen Eltern in deren Heimatland zurückgekehrt war.
Sich anpassen – so oder so – ist das zu viel verlangt? Ich finde, es ist ein Unterschied, ob jemand beispielsweise auf Mallorca als Urlauber unangenehm auffällt oder als Ausländer ständig hier lebt. Mehr Rücksichtnahme wäre schön.
Autor: Claus Günther