von Carsten Stern | Ende der 1980er, deutsch-dänischer Grenzübergang bei Seth/Böglum. Die Zeit der Terroristenfahndung war noch nicht ganz vorbei, wenngleich nicht mehr akut und nicht mehr so martialisch wie zu deren Hoch-Zeiten. Und doch fühlten wir uns hinterher genau daran erinnert.
Wir fuhren mit dem alten Mercedes meiner Frau an einem Herbstabend für ein paar Tage nach Tondern. Es war schon dunkel. Das deutsche Grenz-Kontrollhäuschen hatten wir passiert, am dänischen hatten wir auch gerade den Wink zum Weiterfahren bekommen und fuhren weiter. In zehn Minuten würden wir am Ziel sein.
Ich sah plötzlich, wie von hinten ein Auto sehr schnell uns näher kam. „Du“, sagte ich zu meiner Frau, „da kommt ein Verrückter und will uns überholen.“ Sie sah in den Seitenspiegel und meinte: „Das ist kein Verrückter, das ist der Wagen, der eben an der Grenze stand.“ Die Dänen haben für besondere Fälle immer ein Zivilfahrzeug für Zoll oder Polizei am Grenzübergang stehen, mit dem sie sofort die Verfolgung aufnehmen könnten, wenn denn so etwas nötig wäre.
Ich hatte Zweifel und fand das komisch. Da sah ich, dass von vorne, von Norden her, sich schnell ein Auto näherte, mit voll aufgeblendeten Scheinwerfern. Und ehe ich noch richtig wusste, was passiert, machte dieser Wagen von Norden einen Schlenker über die Fahrbahn, setzte sich vor uns, veranlasste mich zum scharfen Bremsen, stand still, und der Wagen hinter uns stand auch still. Eingezwängt zwischen diesen beiden Autos standen wir plötzlich in der Dunkelheit der dänischen Landstraße. Uns war nicht wohl. Was sollte das?
An beiden Autos gingen die Türen auf, heraus kamen drei Personen, kamen auf unser Auto zu, zwei auf meine Fahrerseite und einer auf die Beifahrerseite. Da erst sah ich, dass alle Polizeiuniformen anhatten.
Sie bedeuteten uns, die Fenster aufzumachen, Türen zu. „Papiere von beiden.“ Unserer Frage endete im Nichts. „Was ist los?“
„Er der sket noget?“ wurde nicht beantwortet. Die drei unterhielten sich auf Dänisch. Das konnten wir verstehen.
Der eine ging mit den Papieren zu dem vorderen Fahrzeug und telefonierte dort über Funk. Soviel hörten wir dann doch mit: Der deutsche Grenzposten hatte kurz den dänischen Grenzposten angerufen, dass dies Auto gestohlen sei und auf der Fahndungsliste stand. Also: anhalten, überprüfen, ob das stimmte.
Das eben taten sie jetzt. Nach einer Weile kamen die Polizisten zum Auto, gaben uns die Papiere zurück und entschuldigten sich. Auf deutsch. Wir müssten bitte Verständnis haben. Sie hätten den Eindruck gehabt, hier sollte ein gestohlenes Auto nach Dänemark geschmuggelt werden. Des Rätsels Lösung war: Zur Fahndung stand ein dunkler Mercedes, Cabrio, Hamburger Kennzeichen, mit den Buchstaben XV. Wir hatten einen dunklen Mercedes, Cabrio, Hamburger Kennzeichen und die Buchstaben XY.
Das hatte der deutsche Grenzbeamte aus seinem Kabuff nicht genau erkannt und sofort den dänischen Kollegen 80 Meter weiter alarmiert.
Und so wurden wir dann in die Zange genommen. Das System funktionierte, der Alarm war, Gott sei Dank, umsonst.
Aber nervös macht einen solch ein Ereignis schon – das erwartet man nicht in unseren zivilisierten Breiten, es sah fast nach einem Überfall aus, den ich vielleicht der Mafia in wer weiß wo zugetraut hätte, auf einsamer menschenleerer Landstraße in der Mitte von Nichts – aber doch nicht hier, zehn Minuten vor dem Ziel und gleich hinter den Grenzhäusern.
Autor: Carsten Stern