von Ingeborg Schreib-Wywiorski | Als ich älter war, begann der später so genannte Dress-Code: Das kleine Schwarze mit der Perlenkette, Seidenstrümpfe mit Naht, die ständig dazu neigten, sich schief um die Wade zu schlängeln, und Schuhe mit bleistiftdünnen Absätzen, wie sie jetzt wieder in Mode sind. Aber damals, Mitte bis Ende der 50er Jahre, waren sie natürlich mit Leder bezogen.
100 Meter mit den verdammten Dingern über Kopfsteinpflaster laufen – und das Leder hing in kleinen Fetzen um das Absatzende.
Wenn alles danebenging und der festliche Anlass besonders wichtig war, verlor man den Gummi des Pfennigabsatzes zwischen zwei Pflastersteinen. Man blieb einfach hängen und riskierte, den ganzen Absatz abzubrechen oder der Länge lang hinzufallen. So entwickelte ich einen gehörigen Abscheu vor diesen bürgerlichen Mode-Diktaten.
Ich besaß ja sowieso schon aus Geldmangel nur eine Minimalgarderobe. Bestehend aus selbstgeschneiderten Sackkleidern für die Vorlesungen und eventuell auch für Theaterbesuche.
Aber mein ganzer Stolz war eine im Laden für Berufskleidung erworbene Original-Bäckerhose, schwarzweiß kariert. Dazu trug ich einen bis zu den Knien reichenden langen weinroten Pullover, den ich meinem 1,90m langen Vater abgeschwatzt hatte. Das Ganze ergänzte ich mit flachen Ballerinas, die ich mir vom Semesterjob mit Tütenkleben erspart hatte.
Da es in dem Sommer 1957 in München viel regnete, wollte ich meine kostbaren Schuhe natürlich nicht aufweichen lassen. Also lief ich barfuß durch München. Ich fand mich großartig. Die Haare schulterlang wie Juliette Greco, das sparte den Friseur.
Als ich meine Mutter bei ihrem ersten Besuch in diesem Aufzug in Empfang nahm, verlangte sie strikt, dass ich gefälligst zehn Meter Abstand zu ihr zu halten hätte. Niemand sollte auf die Idee kommen, dass sie etwas mit mir zutun haben könnte.
Autorin: Ingeborg Schreib-Wywiorski