von Ingeborg Schreib-Wywiorski | Sommer 1964. Ferien waren in Sicht. Nein, „Urlaub“ sollte es von nun ab immer heißen. Mein erster richtiger Job hatte mir 21 Tage Urlaub beschert und die bekam ich auch noch bezahlt! Nach all den Jahren in kurzfristigen Ferien-und Studentenjobs ein völlig neues Gefühl: Festanstellung mit 6-Tage Woche (bis 1967) und 21 Tage Urlaub oder waren es nur 18 Tage? Heute dagegen…
Nun, da das Geld immer pünktlich zum Monatsende auf mein neu eingerichtetes, erstes Bankkonto floss, hatte ich mir von meinem Bruder seinen 2CV oder Deux Chevaux von Citroen gekauft. Unter uns im Sprachgebrauch einfach „Ente“ genannt. Ob wegen der Langsamkeit oder ihres wunderlichen Aussehens vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Damals, 1964, war sie Kult, ein Traumauto. Für mich nur noch übertroffen von einem Mini-Cooper mit Schlafaugen (Scheinwerfer mit Deckeln)
Und da stand sie nun vor meiner Tür! Ich konnte kein Auge zumachen in dieser Nacht, musste ständig nachsehen, ob sie noch da war: meine Ente! Hellgelb mit Rolldach aus Stoff und einem veritablen Spaten neben der Tür. Auch ein Erbe meines Bruders: „Zum Freischaufeln auf unwegsamen Wegen. Wirst Du auch noch gut gebrauchen können“, meinte er gönnerhaft.
Am nächsten Tag die erste Fahrt von Darmstadt über die Autobahn mit viel Lastwagenverkehr nach Frankfurt/ Main. In die Innenstadt, wo ich arbeitete.
Ach Du liebe Güte, da schaffte sie nun gerade mal 80 km/h, genau soviel wie die Laster fuhren durften. Die Fahrer machten sich einen Riesenspaß daraus, mich nicht überholen zu lassen, spielten Katz und Maus mit mir. Nur bergab (gab es aber nicht zwischen Darmstadt und Frankfurt), da schaffte ich atemberaubende 120 km/h – mit Rückenwind!
So trainierte ich den Sommer über alle Tricks, die meine Ente so drauf hatte gegenüber anderen Autos. Zum Beispiel das phantastische sich-in-die-Kurve legen. Anfahren am Berg, Bergabfahren mit dieser Kupplung und zurückschalten in Haarnadelkurven. Aber immer auf die Straße achten und die Vorder- und Hintermänner!
Im September ging es Richtung Neapel. Bis dahin lernte ich die seltsame Hebelkuppelung im Schlaf zu bedienen, dachte ich. Verlernte leider völlig im ersten Gang anzufahren, denn im Zweiten ging es genauso mühelos, lernte die Vorzüge von Perlonstrümpfen kennen als Ersatz für einen gerissenen Keilriemen und das Öffnen der Tür übers Dach, wenn das Schloss klemmte.
Nur den Spaten brauchte ich nie, aber er war ein wunderbarer Einstieg in so manches Fachgespräch, eine ideale Anmache, wie man es sonst nur zu Hunden, Vögeln oder Katzen erlebt.
Nein, mein Spaten wies mich als weitgereiste Abenteuerin aus. Warum sollte ich solche Illusionen profan zerstören? Und die erste Bewährungsprobe meiner Fahrkünste stand mir ja noch bevor.
Autorin: Ingeborg Schreib-Wywiorski