von Manfred Hüllen | Wir wohnten in der Düsseldorfer Tussmannstraße und wurden dort Opfer des ersten Bombenangriffs auf die Stadt. Es sollte den Bahnhof und die Waffenproduktionsfirma Rheinmetall treffen, getroffen wurde aber sehr stark die Tussmannstraße, die direkt neben den Hauptgleisen vor dem Hauptbahnhof lag.
Dadurch mussten wir nach Stadt Rohda, Thüringen, evakuiert werden. Hier lebten wir in einem kleinen Dorf, Tissa, ca.150 Einwohner dann bis 1945.
In Thüringen wurden wir, meine Mutter und ich, von den sowjetischen Besatzern gezwungen, nach Westdeutschland zurückzukehren.
Dadurch kamen wir in Erkrath bei Düsseldorf bei der Schwester meiner Mutter, „Tante Tinni“ unter. Das bedeutete: Eine kleine Kammer mit „Plumpsklo“ über den Hof, und geschlafen wurde in dem kleinen Raum mit vier Personen.
Leider mussten wir bald wieder ausziehen, da Onkel Josef aus englischer Gefangenschaft nach Hause kam.
In der Nachbarschaft konnten wir ein Zimmer bei einem Mann beziehen, der einen Arm in Russland verloren hatte. Er belästigte jedoch ziemlich intensiv meine Mutter, so dass wir wieder die Wohnung wechselten. Hier in Erkrath war auch meine erste Schule: 124 Kinder in der ersten Klasse.
In Düsseldorf-Unterrath hatte mein Opa, der Vater meines Vaters, ein Zimmer. In der Nähe davon kamen wir in einem kleinen Haus in einer Dachkammer unter.
Die Vermieterin, ich sagte „Tante Maria“ zu ihr, war sehr nett, und so durften wir samstags in ihrem Bad baden. Es wurde einmal warmes Wasser in die Wanne gegeben und dann kam Tante Maria, darauf ihr Sohn, schließlich meine Mutter und zuletzt durfte ich ins Wasser steigen. Dies ist in der Badewanne leider ziemlich nicht so lecker.
Auch hier kam der Ehemann aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause zurück und wir mussten wieder wechseln. Unsere Klasse befand sich in einer Nissenhütte, und so war der Abschied aus dieser Volksschule zumindest eher schön.
Die Schwester meiner Oma Sabiene wohnte in Düsseldorf auf der Neusserstrasse. Hier wurden wir zwar aufgenommen, aber schon mit dem Hinweis „nur vorübergehend!“. Aber wir hatten eine Bleibe gefunden. Gegenüber war eine Kohlenhandlung, und hier konnte ich mein erstes selbstverdientes Geld durch Kohlenaustragen verdienen. Das war richtig gut!
Besonders ältere Frauen, welche zehn oder zwanzig Kilo Briketts kauften, waren froh, wenn ich ihnen diese in ihre Wohnung brachte. Das Trinkgeld war der Lohn!
Nun hatte meine Mutter nach langem Suchen eine kleine „Ein-Zimmer-Wohnung“ mit Toilette und Waschgelegenheit in Düsseldorfs Stadtteil Bilk mieten können. Dieser Wechsel kam für mich besonders gelegen, da in der Schule Neusser Straße meine Versetzung stark gefährdet war (ich stand in vier Fächern auf einer „FÜNF“). Mit dem Wechsel in die Schule in der Aachener Straße bekam ich die Chance, das Schulergebnis zu verbessern. Es gelang!
Da das eine Zimmer recht klein war, schlief ich anfangs in einem anderen Zimmer. In diesem waren dreimal zwei übereinander stehende Metallbetten. Die anderen Mitbewohner waren erwachsene Männer und Frauen. Hier war unüberhörbar, was Erwachsene außer Schlafen sonst noch in Betten machen!
Meine Mutter hatte dann ein Bett organisieren können, welches noch in unser kleines Zimmer passte, und so konnte ich dem Gemeinschaftszimmer entkommen.
Es war bereits 1949, durch die Währungsreform gab es die DM, die DEUTSCHE MARK!
Da überall sehr viel zerstörte Häuser mit viel Schrott lagen, begann ich mit Freunden, Selbigen zu sammeln und beim Schrotthändler das Sammelgut zu verkaufen.
Mit einem Hammer Ziegelsteine vom Putz freizuschlagen, war ebenfalls eine Chance, Geld zu verdienen. Es wurde eben viel gebaut oder repariert, und gebrauchte Steine waren viel billiger!
Mit dem Geld konnte ich meiner Mutter Kaffee, Zigaretten, Bananen usw. kaufen. Sie freute sich sehr da-rüber!
1949 kam plötzlich und völlig unerwartet mein Vater aus Estland zu uns zurück. Dort war er seit 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen.
Von 1941 bis 1944 war er als SPD-Mitglied ins KZ-Buchenwald eingeliefert worden. 1944 wurde er in ein Strafbatallion zum Minensuchen mit den Händen eingesetzt. Bei einem Angriff der Russen konnte er sich in die Gefangenschaft retten. Bis 1949 war er in Estland Kriegsgefangener.
Ich lehnte ihn anfangs total ab, da ich ihn bisher ja nie gesehen hatte. Da er sehr klug war und mir erst einmal seine Freundschaft anbot, war ich damit einverstanden.
In dieser Wohnung blieben wir bis 1950, hier habe ich auch die meiste Erinnerung an die nun besser werdenden Lage in Deutschland.
Von der Stadt Düsseldorf erhielten wir jetzt eine 3-Zimmer-Wohnung mit Bad und mit einer respektablen Größe (80 qm). Auch hier hatte ich die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Unten in unserem Haus war eine Gaststätte mit Kegelbahn, und die Wirtin klingelte bei uns, wenn ein „Kegeljunge“ gebraucht wurde.
In dieser Wohnung blieben wir bis 1951. Mein Vater bekam von den Hüttenwerken Siegerland einen Angestelltenvertrag als Rationalisie-rungs-Fachmann, und somit zogen wir ins Siegerland, nach Siegen in Westfalen!
Was meine Schulzeit anbelangt, bin ich in dieser Wohnungswechselzeit insgesamt in sechs verschiedenen Schulen gewesen. Das Schlechte dabei: Es sind viele Lücken in meinem Wissen entstanden. Das Gute: Ich wurde immer versetzt.
Autor: Manfred Hüllen