von Wilhelm Simonsohn | Der 8. Mai 1945 war für mich zugleich das Ende der Zeit, in der ich in der Zwangsjacke eines Soldaten der Deutschen Wehrmacht steckte. Diese Zeitspanne umfasste bei mir einschließlich RAD (Reichsarbeitsdienst Anm. d. Red.) rund sieben Jahre meines jungen Lebens in einem Alter von ca. 18 bis 25 Jahren.
Dieser 8. Mai war für mich verbunden mit einem Gefühl der Erleichterung, dass nunmehr das Morden ein Ende gefunden hatte. Die Bilanz dieses Krieges waren etwa 55 Millionen tote Menschen. Dass in dieser kriegerischen Zeit so viele Menschen sterben mussten, war und ist in der deutschen Geschichte ein einsamer Rekord. Diesen Rekord als einen „Vogelschiss“ zu bezeichnen, ist eine Verniedlichung der Fakten, die für mich außerhalb einer normalen Denkweise angesehen werden muss.
Mein Soldatenschicksal war nach den Erlebnissen des Polenfeldzuges im September 1939 (zerstörtes Warschau, ca. zwanzigtausend Tote) dadurch geprägt, dass ich mir geschworen hatte, niemals Bomben auf menschliche Siedlungen abzuwerfen. Ich konnte diese Absicht persönlich dadurch verwirklichen, dass ich mich nach einer mehrjährigen Pilotenausbildung für die Nachtjagd entschieden habe mit der rückblickend naiven Vorstellung, ich könne dazu beitragen die Briten daran zu hindern, unsere Städte vorwiegend nachts durch Bombenangriffe zu zerstören, wobei Frauen, Kinder und alte Menschen überproportional ihr Leben lassen mussten. Die Männer waren ja vorwiegend an den überdehnten Fronten eingesetzt.
Dass dieser 2. Weltkrieg im Grunde genommen eine Fortsetzung des 1. Weltkrieges war, hat vor dem Hintergrund des Versailler Vertrages der Schriftsteller Kurt Tucholsky, der versucht hatte, Hitler mit der Schreibmaschine zu bekämpfen, bereits 1919 (!) in einem längeren Gedicht festgestellt. Zwei Zeilen dieses Gedichts lauten „…und in abermals 20 Jahren kommen neue Kanonen gefahren…“. Er hat ferner einmal postuliert, dass auf den Soldatengräbern nicht stehen dürfe, sie seien für das Vaterland gefallen, sondern durch das Vaterland.
Meine wesentliche Aufgabe als Zeitzeuge sehe ich darin, jungen Menschen ins Bewusstsein zu rufen, wie wertvoll es ist, seit dem 8. Mai 1945 dank der politischen Konstellation in dieser Zeit auf eine so lange Friedensperiode mit unseren Nachbarn zurückblicken zu können.
„Frieden ist das Meisterwerk der Vernunft.“ (Immanuel Kant)
Autor: Wilhelm Simonsohn