von Manfred Hüllen | Es ist fast 40 Jahre her, doch es ist und bleibt mir unvergesslich. Ich war damals in Mailand tätig. Fast immer flog ich freitags vom Mailänder Flughafen Linate aus nach Düsseldorf. In Düsseldorf lebten meine Eltern, und so verbrachten wir den Abend gemeinsam, ehe ich am Samstag von dort zu meiner lieben Irene nach Hamburg flog. Diesmal sollte es anders kommen.
Eigentlich war alles wie immer, wenngleich ich recht spät dran war. Lieber spät als nie, frohlockte ich innerlich, doch es half nichts: Am Flughafen schloss vor mir der Beamte mit den Worten „Sorry, Sie sind zu spät und müssen eine andere Maschine nehmen“, den Schalter. Ich war total sauer, das kann wohl jeder nachfühlen. Ich rief meinen Freund Tuillo Passioni an, der holte mich vom Flughafen ab, bei ihm konnte ich übernachten.
20 Uhr. Auch in Italien die Zeit der Fernsehnachrichten. Mit halbem Ohr hörte ich hin. Plötzlich schreckte ich hoch. Flugzeugabsturz am Comer See – alle Insassen tot! Es traf mich wie ein Schock. Ich kannte 12 Düsseldorfer Mitarbeiter der Firma Rheinmetall, die mit der italienischen Firma Beretta zusammenarbeiteten – Kollegen von mir – sie waren in der abgestürzten Maschine, mit der auch ich hätte fliegen sollen.
Als erstes rief ich meine Frau an. Sie wusste, dass ich mit der abgestürzten Maschine hätte fliegen sollen und weinte vor Glück, als sie meine Stimme hörte. Dann informierte ich meine Eltern, auch sie waren überglücklich. Ich aber kam mir wie ein Betrüger vor, der dem Schicksal einen Streich gespielt hatte; ich war fassungslos.
Es dauerte ein paar Tage, ehe ich das Gefühl zulassen konnte, unfassbares Glück gehabt und auf wunderbar schicksalhafte Weise überlebt zu haben, durch einen abenteuerlichen Zufall. Ich muss bis heute daran denken, wenn jemand „Sorry“ sagt.
Autor: Manfred Hüllen