von Günter Lucks | Viele Menschen im Osten verließen die DDR und flohen in den Westen. Sie hatten „rüber gemacht“ hieß es in der DDR. Solange es noch keine Mauer gab, war das ja auch kein Problem. Aber es gab auch Menschen in Westdeutschland, die in den zertrümmerten Städten lebten und im Osten bessere Lebensverhältnisse vermuteten. Vor allem vor der Währungsreform war die Verpflegungslage besser, dachten viele und fuhren in die DDR.
1956 gab es im Hamburger Osten noch viele Trümmer. Ich war verheiratet und wir hatten einen einjährigen Sohn. Weil ich 5 Jahre in der Gefangenschaft gewesen war, bekam ich einen LAG (Lastenausgleichsgesetz)-Schein. Auch die nötigen 81 Punkte hatte ich, aber wir bekamen keine Wohnung und lebten zur Untermiete. Mein Onkel war ein Hamburger Kapitän, er bekam kein Schiff und nahm ein Angebot aus der DDR an. Nun leitete er in Rostock eine Fischfangflotte. Uns schrieb er, dass wir kommen sollten. Er würde uns Arbeit und Wohnung besorgen. Meine Frau warnte mich, hätte ich nur auf sie gehört! Aber wir fuhren in die DDR.
Nach Rostock durften wir nicht und wurden in die Lausitz zum Braunkohleabbau geschickt. Ich arbeitete im Tagebau, meine Frau wurde Se-kretärin in der Verwaltung. Wir hatten viele Freunde, aber auch mächtigen Ärger. Diskutieren war unmöglich. „Mir sin nich im gabdalistischen Westen, Golesche Lucks“, hieß es oft. Ich gab an, dass meine Mutter sehr krank sei (stimmte nicht) und bekam eine Genehmigung, für eine Woche nach Hamburg zu fahren. Das taten wir und blieben dann im schönen Hamburg. In der DDR hieß es daraufhin: „Lucks hat rüber gemacht!“.
Autor: Günter Lucks