von Harald Schmidt | Wir lernten bei Herrn Schackert das ABC mit der Fibel und das Schreiben (Druckbuchstaben) mit Bleistift auf Linienpapier.
Rechnen begann – wie überall – mit dem Erlernen der Zahlen. Im Heimatkundeunterricht erfuhren wir viel über Hamburg und bauten aus Knetmasse die Hammaburg, die später auf dem Schulboden landete. Fast alle waren neugierig und mochten gerne lernen.
Schichtunterricht war in den ersten Schuljahren an der Tagesordnung. Nur, morgens spielen gehen, dann Mittagessen und anschließend zum Unterricht in die Schule – im Winter oftmals im überheizten Raum – das erhöhte nicht die Leistungsfähigkeit.
Auch hohe Schülerzahlen pro Klasse, für kurze Zeit hatten wir eine Klassenstärke von 49 Schülern, mussten bewältigt werden. Unterricht am Sonnabend war normal. Das störte damals das Familienleben nicht sonderlich, da auch die Väter einen halben Tag arbeiten mussten.
Sitzenbleiber (Schuljahrwiederholer) gab es jedes Jahr.
Toll war natürlich die Lernmittelfreiheit an den Hamburger Schulen, auch die Ausstattung unserer Schule mit Lehrmitteln war für die Zeit ordentlich.
Wir erhielten an Unterrichtsmaterial: Hefte, alle Lehrbücher, Zeichenpapier, Wachsmalstifte, Tuschkästen, Lineal aus Holz mit Stahlkante, Geo-Dreiecke gleich- und langschenkelig und einen Zirkelkasten. Ich benutzte lieber meinen eigenen Zirkel, den von meiner Mutter geerbten, der heute noch im Einsatz ist.
Den Atlas für die Heimatkunde sowie den Weltatlas und Lesebücher bekamen wir kostenfrei. In guter Erinnerung sind mir geblieben: das Lesebüchlein „Rummelpottlaufen“ und das Lehrbuch „Wege in die Welt“.
Die Wandtafel war alt und glatt, oftmals quietschte die Kreide darauf. Relativ schnell wurde sie ersetzt. Für den Unterricht in der Klasse waren alle Hilfsmittel wie Winkel und Zirkel für die Tafel vorhanden, ebenso Landkarten, die an einer Vorrichtung an der Tafel aufgehängt wurden. Aufbewahrt wurden sie im Kartenzimmer, von wo sie vor dem Unterricht von Schülern geholt und nach der Unterrichtsstunde wieder zurückgebracht wurden.
Einige Kinder (ich nicht) durften an der Schulspeisung teilnehmen, die 1946 für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr aufgrund der Mangelernährung eingeführt wurde. Ich hörte dann von Milchsuppe mit Kakao und mit dicken Nudeln. Gegessen wurde aus dem eigenen mitgebrachten Kochgeschirr. Kurz darauf wurde dieses Programm eingestellt.
Den Musikunterricht übernahm der Schulleiter Johannes Böttger. Mir blieb in Erinnerung, wie er uns die Geige nahebringen wollte. Leider kam das Instrument aus dem ungeheizten Musikzimmer in den gut geheizten Klassenraum. Das Instrument gab keine schönen Töne von sich. Schade, es hätte mich sehr viel früher an die vielen unterschiedlichen Instrumente herangebracht.
Beim Thema „Kultur“ gab es aus heutiger Sicht große Defizite. Lag es an den Lehrenden oder an den Eltern? Ich meine, dass in dieser Wohngegend viele Eltern dafür kein Geld hatten. Das Vorlesen aus den Reclamheften half nur wenigen. 1957 oder 1958 sahen wir im Schauspielhaus dank der Schule den „Zerbrochen Krug“ mit Joseph Offenbach als Schreiber Licht. Das imponierte mir, das habe ich bis heute nicht vergessen.
In Klasse 4 bekamen wir Karl Mücke als Klassenlehrer – ein kleiner, glatzköpfiger, ziemlich rundlicher Brillenträger mit einer Warze auf der Nase. Im ersten Moment kein Sympathieträger und als streng bekannt. Sein Unterricht jedoch machte Lust auf mehr.
Algebra und Geometrie (Raumlehre hieß dieses Fach offiziell) brachte er uns intensiv bei. Sonnabends gingen wir für drei Stunden in die Schule. In der ersten Stunde wurden die in der Woche zurückgegeben Klassenarbeiten korrigiert. Wer damit fertig war, konnte nach Hause gehen. Wer freiwillig blieb, bekam extra Unterricht in den mathematischen Fächern. Das hat mir ein halbes Jahr Aufpassen in der Berufsschule erspart. Fast hätte ich dort den Anschluss verpasst.
Der Geschichts- und Erdkundeunterricht bei ihm war, aus heutiger Sicht und im Vergleich zu anderen Lehrern, hervorragend, erweckte es doch mein großes Interesse daran. Ich profitierte mein ganzes Leben davon.
Geschichte vor 1848 im Schnellgang. Jahreszahlen waren nicht so wichtig, in etwa das Jahr wissen und was da passierte, das langte. Die Deutsche Geschichte ging los ab 1848, hier mussten wir mehr Wissen aufnehmen. Spannend wurde es ab 1870 und sehr intensiv, einschließlich Weimarer Republik, dem Dritten Reich und der Nachkriegszeit.
Die Bundesrepublik und die Ostzone wurden angesprochen. Wir erlernten die verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Systeme, ihre Wirkungsweise und deren Auswirkungen. Heute meine ich, dass auch seine Erfahrung aus den 1920er/1930er Jahren und die Erlebnisse als Panzerfahrer in Russland sehr prägend waren und seinen Unterricht beeinflussten.
Dafür setzte er verschiedene, damals außerordentlich moderne Lehrmittel ein, u. a. ein Grundig-Tonbandgerät. Wir hörten oft den Schulfunk. War dies zur Sendezeit nicht möglich, nahm er die Sendung am Nachmittag zuhause auf, sodass wir den Beitrag etwas später in der Klasse hören konnten.
Das abwechselnde Vorlesen von Büchern durch Schüler brachte Wissen und Leseübung unter einen Hut. Ein Klassiker war der Reisebericht von Heinz Helfgen „Ich radle um die Welt“ aus dem Jahr 1954.
Aus der Schul-Bücherei konnten wir Lesestoff für Zuhause ausleihen. Davon machte ich regen Gebrauch.
Der Filmvorführraum im Keller befand sich im ehemaligen Luftschutzraum der Schule. Dort sahen wir Filme und Dias, die unser Lehrer bei der Staatlichen Landesbildstelle auslieh. Die Dias mussten vor der Vorführung von einigen Schülern geputzt werden. Die Apparate bediente der Lehrer.
Wer lernen wollte, hatte große Möglichkeiten – ich nutzte sie.
Fräulein Kock unterrichtete uns in den Fächern Musik und Biologie.
Musik bestand aus dem Singen von Volksliedern. Als die ersten von uns in den Stimmbruch kamen, war dieser Teil erledigt. An Musikinstrumenten lernten wir Triangel und Blockflöte kennen. Zu Noten fand ich keinen Zugang – ich konnte sie in meiner technischen Welt nicht praktisch anwenden.
An das Fach Biologie, damals Naturkunde, habe ich wenige Erinnerungen. Staubgefäße zählen und Blumen und Blätter den Jahreszeiten entsprechend sammeln. Die wurden in einem dicken Buch zwischen zwei Löschblättern gepresst. Eine Beschreibung auf der jeweiligen Seite durfte nicht fehlen. Manche Blumen waren so saftig, wie z.B. Knollenbegonien, dass die Feuchtigkeit, trotz einiger Löschblattlagen, durch mehrere Seiten schlug und diese unbrauchbar machte. Das war dann Schweinkram pur und sehr ärgerlich, brachte es doch die Ordnung im Buch durcheinander.
Sportunterricht – offiziell bis Klasse Sechs Leibeserziehungen, danach Leibesübungen – hatten wir bei Herrn Wulf. Sein Spitzname war „Backe Wulf“, da er seine Erziehungsaufgabe sehr gern mit der Hand auf den Wangen der Knaben durchsetzte – auch mal ohne ersichtlichen Grund. In einer der oberen Klassen schlug einer meiner Klassenkameraden zurück. Das gab einen Aufstand!
Unsere Turnhalle war alt, auch die meisten fest installierten Geräte wie Kletterstangen, Leitern, Ringe und Sprossenwand. Mobile Geräte wie Barren, Pferd, Kasten, Bock, Matten waren neueren Datums. Leider konnte die Turnhalle zum Ende der 1950er Jahre nicht mehr voll genutzt werden. Der Fußboden gab nach, beim Hallenfußball brachen einzelne Dielen ein. An der Sprossenwand verunglückte ein Mitschüler im Herbst 1960 und brach sich die Schulter. Ein lebenslanger Schaden blieb ihm erhalten.
Später bekamen wir für dieses Fach den „Junglehrer“ Busch – ein Vertreter der neuen Generation. Als einstiger Napola-Schüler – Eliteschüler einer „NAtionalPOlitischen LehrAnstalt“ während der NS-Zeit – erhielt er erst spät seine Zulassung zum Lehramtsstudium. Er machte anderen, moderneren Unterricht. Ein Novum war, als er uns stolz, allein den Kinderwagen schiebend, seinen Nachwuchs zeigte.
Auf Grund der baulichen Mängel der Turnhalle legte er den Focus auf Spiele und Leichtathletik. Der Schulhof erhielt Markierungen für diverse Spiele, besonders für Volleyball und Korbball. Ein Sandkasten für Weit- und Hochsprung vervollständigte die „Sportanlage“.
Das Turnzeug, im von meiner Mutter genähten Turnbeutel, bestand aus Turnhemd, –hose und meinen geliebten Basketballstiefeln mit dem Knöchelschutz.
Zum Trainieren für die jährlich stattfindenden Bundesjugendspiele in der Jahnkampfbahn im Stadtpark gingen wir auf den Beethoven-Sportplatz. Dort gab es eine 100-Meter Laufstrecke. Staffellauf übten wir und Weitwurf. Das große Ziel war die „Heuss-Urkunde“ (unser damaliger Bundespräsident).
Dann war da noch der Lehrer Schweim. Er hatte die Angewohnheit, bei irgendwelchen Vergehen und Abmahnungen, manchmal auch ohne Grund, die Schüler an den Koteletten zu ziepen. Das tat für einen Moment höllisch weh, verging aber schnell wieder.
Ein anderer Lehrer hatte einen kleinen Rohrstock im Ärmel. Der Schüler musste die Hand hinhalten, der Lehrer hielt seine darunter, holte aus, die Schülerhand krümmte sich und der Stock traf die Lehrerhand. Absicht?
Englischunterricht erteilte Herr Rathjen aus der Parallelklasse. Das Lehrbuch für unsere Klasse war „Come Along“, das der Parallelklasse „Peter Pim and Billy Ball“.
Irgendwann wurden unsere Parallelklassen zusammengelegt. Klassenlehrer wurde Herr Rathjen. Karl Mücke ging zur Weiterbildung für eine längere Zeit in die USA. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Klasse, da sein Kollege in Pension ging. Den Englischunterricht übernahm er auch. Meine Englischnote ging nach oben, da er mit lebendiger Sprache von seinem Amerikaaufenthalt erzählte – mit Übersetzung aus dem amerikanischen ins Englische. Fragen waren erwünscht.
Den Schwimmunterricht leitete Herr Leven. Ich kam über die Note drei nicht hinaus, obwohl ich mit fast 15 Jahren meinen DLRG-Rettungsschein in der Tasche hatte und sicher schwimmen konnte. Ich war nicht schnell genug für die Schulstaffel, die Schüler, die dort mitschwammen, bekamen alle eine zwei im Zeugnis.
Zum Schulalltag
Natürlich unsere Schreibgeräte. Die ersten Übungen wurden mit dem Bleistift gemacht. Dann folgte der Federhalter mit der Stahlfeder und dem allgegenwärtigen, mit Vorsicht zu benutzenden Tintenfass. Ich war stolz, als ich einen Montblanc-Füllfederhalter bekam, einer mit Patrone, der musste selber aufgefüllt werden. Den benutzte ich unfallfrei während meiner ganzen Schulzeit.
Frühstunde von 7..00 bis 7.45 Uhr, oftmals Sport, in der folgenden Stunde Mathe, das war keine gute Lösung, denn wir gingen ausgepowert und müde in den Unterricht. Englisch in der Frühstunde war akzeptabel. Die Spätstunde endete um 14 Uhr.
Hausaufgaben: Ich kam nach Hause, aß zu Mittag und musste meine immer sofort danach erledigen – mit Kontrolle. Das war einfach, da wir teilweise ein „Hausaufgabenheft“ führen mussten. Dann konnte ich zum Spielen gehen.
Die „eingekleideten“ Aufgaben im Fach Rechnen machten mir große Schwierigkeiten, die Vorstellungskraft für z.B. die Flächenberechnung fehlte.
Die Aufgabe: Ein Maler soll vier Wände mit darin enthaltenen Türen und Fenstern halbhoch mit einem neuen Anstrich versehen. Für wieviel Quadratmeter muss er Farbe besorgen? Die Maße waren angegeben. Bei mir eine totale Blockade. Da half mir der Sohn meiner Patentante (fünf Jahre älter als ich) mit dem Aufzeichnen des Raumes. Das half, von da an hatte ich damit kaum noch Schwierigkeiten. Der Dreisatz saß, ebenso wie der Pythagoras.
Im Fach Deutsch hieß es Aufsätze schreiben. Ich hatte so viel zu erzählen, fand jedoch nur langsam Worte und das mit viel dann und dann und dann … Hatte ich zu wenig Fantasie? War mein Wortschatz noch zu gering? Trotz des vielen Lesens? Oder hatte ich es einfach noch nicht gelernt?
Auch sicheres, freies Sprechen und Gedichte aufsagen lernte ich erst viel später. Wir mussten die „Glocke“ auswendig lernen und im Unterricht vortragen. Von versucht ernsthaft bis hin zur Verhohnepiepelung gab es alle Vortrags-“Künste“.
Mir wurde als technisch denkender Mensch das Gedicht in seiner ganzen Schönheit und Aussage erst später bewusst.
Ich machte während meiner Lehre als Maschinenschlosser ein Praktikum in einer Stahlgießerei. Dort lernte ich das Formen und Gießen von großen Stahlhohlkörpern kennen. Wenn der Guss geglückt war und das Teil vom Sand befreit vor mir lag, bekam ich eine Verbindung zum Gedicht.
Autor: Harald Schmidt