von Harald Schmidt | Meine Schule war die 1905–1906 erbaute Volksschule für Knaben, Imstedt 20 in Barmbek-Süd. Das Gebäude erlitt im 2. Weltkrieg nur geringe Bombenschäden, die rasch beseitigt waren, sodass der Schulbetrieb sehr schnell in allen Klassen wiederaufgenommen werden konnte.
Im Keller befand sich die Koks-Zentralheizung. Das Brennmaterial wurde auf den Schulhof vor die Einfüllluke gekippt und musste vom Hausmeister Flügge von Hand in den Kohlenbunker gebracht werden.
Der 21. April 1952 war mein erster Schultag. Ich bekam zu diesem Anlass einen Anzug mit kurzer Hose, einen Lederranzen und eine Umhänge-Brottasche, sowie eine Schultüte.
Mein Klassenlehrer, Herr Scha-ckert, war ein älterer Herr, der noch drei Dienstjahre vor sich hatte.
Im Klassenraum erwarteten uns Stahlrohrtische und -stühle. Später, in den höheren Klassen, mussten wir auf Schulbänken mit zwei oder vier Sitzen nebeneinander Platz nehmen. Die Sitzbank war mit dem Tisch fest verbunden, die Tischplatte geteilt und am unteren Teil hochzuklappen, damit Ranzen, Schulhefte und Bücher sitzenderweise darunter geschoben werden konnten.
Mit den Klappen konnte man auch richtig Lärm machen. In der Mitte des Tisches war ein Tintenfass eingelassen. War es leer oder durch böse Bubenhände unbenutzbar (mit Löschpapier gefüllt), holte man sich ein neues.
Die Tische zeigten starke Gebrauchsspuren in Form von tiefen Rillen, Ritzen und Tintenflecken. Später wurden diese Möbel gegen neue, moderne Tische und Drehstühle ausgetauscht. Für den Lehrer stand das Katheder auf einem Podest, um ihm eine bessere Übersicht über die Klasse zu verschaffen. Es soll vorgekommen sein, dass beim plötzlichen Aufstehen des Lehrers der Tisch nach vorne rutschte und das Möbelstück in den Klassenraum stürzte. Bei der Neumöblierung erhielten auch die Lehrer ebenerdig stehende Schreibtische.
Löschpapierstücke mit Spucke durchnässen und an die Decke über dem Pult werfen, sodass sie kleben blieben, war eine beliebte Beschäftigung. Wenn getrocknet, fielen sie dem Lehrer auf den Tisch. Zuzuordnen war dieser Streich keinem Schüler.
Gegenüber der Schule hatte der Kohlenhändler Friedrich C. Weber sein Betriebsgelände. Eierkohlen und Briketts wurden mit der Bahn angeliefert.
Mit einem Culemeyer Straßenroller brachte die DB einen beladenen Güterwagen, der auf das im Hof verlegte Gleis rangiert wurde. Waggon und Zugmaschine verband man mit einem Stahlseil, der Waggon wurde angeschoben, rollte vom Tieflader und wurde mittels der Seilverbindung ruckartig gebremst. Unterricht war beim Anliefern und Abholen nicht möglich. Wir durften aus dem Fenster diesen Manövern zusehen.
Im Frühjahr konnten wir Pflanzen zu einem geringen Preis bestellen. Buntblatt (sehr beliebt), Geranien, Studentenblumen und Knollenbegonien für zuhause. In der Klasse blieben auch welche, die am letzten Schultag zur Pflege mit nach Hause genommen wurden.
Während der Sommerferien wurde das Schulgebäude generalgereinigt. „Beliebt“ war das Ölen des Holzfußbodens. Die Sonne heizte die Räume auf, sodass die Böden eine starke, unangenehme Ausdünstung entwickelten. Nach den Ferien war für ein paar Tage ständiges Lüften nötig, um den Aufenthalt einigermaßen erträglich zu gestalten.
In den Ferienzeiten wurden Modernisierungen durchgeführt, wie Austausch der Schulglocke auf dem Flur gegen Summer mit Lichtzeichen über der Tür im Klassenraum. So verschwanden auch die Kugellampen und wurden durch Neonlampen ersetzt.
Nach jedem Schuljahr wechselten wir den Klassenraum.
Laufen und Rennen im Gebäude und auf dem Gelände war verboten, schnell gehen nicht.
In den Toiletten waren vor den Abteilungen halbhohe Türen verbaut. Die mied ich aus verschiedenen Gründen – ich ging lieber zuhause. Beliebt war der Gang aufs Klo während des Unterrichts.
Milch in Flaschen konnten zunächst in der Schule, später, mit Erlaubnis der Aufsicht führenden Lehrkörpers, im Tetrapak, Picasso-Euter genannt, in der Pro nebenan gekauft werden.
Die Atmosphäre in der Adventszeit war anders. In unserem Klassenzimmer hing ein Adventskranz von der Decke, bestückt mit roten Kerzen. Montagmorgens, in der ersten Stunde, wurde feierlich die entsprechende Anzahl Kerzen angezündet, Weihnachtslieder oder Geschichten vorgelesen, auch Gedichte aufgesagt. Manchmal blieben die Klassentüren offen, weil ein Chor auf dem Flur sang.
Getrennte Schulhöfe für Jungen und Mädchen fanden wir bei unserer Einschulung vor. Der Teil für die Jungen war mit hohen, kräftigen Ahornbäumen bewachsen. Die im Herbst herunterkreiselnden Früchte pulten wir auf und setzten sie uns auf die Nase. Wir haben sie „Nasenkneifer“ genannt).
Der Mädchenhof war weniger grün.
Die Trennung bestand zunächst aus einem Bretterzaun, der bereits 1927 bei der Einschulung meiner Mutter dort stand. Später wurde er durch einen weißen Strich ersetzt, der nicht übertreten werden durfte.
Einige Lehrkräfte achteten streng darauf. Unser Klassenlehrer Karl Mücke ignorierte dies, pendelte demonstrativ während seiner Pausenaufsichten vom äußersten Ende des Jungenteils bis zum Ende des Mädchenschulhofes. Wir Jungen unterhielten uns mit ihm und pendelten mit. So löste sich das vermeintliche Problem.
Ausflüge und Klassenreisen machte unsere Klasse selten. Es ging mal in den Stadtpark, einen Museumsbesuch machten wir und im Schauspielhaus sahen wir den „Zerbrochenen Krug“, das war´s dann auch schon.
Im letzten Schuljahr kam eine Fahrt mit dem Seebäderschiff „Wappen von Hamburg“ nach Helgoland hinzu.
Wo wohnten meine Mitschüler? Der Einzugsbereich war sehr groß. Einige hatten einen Schulweg von ca. 2 Kilometern.
Am 30. April 1961 verließ ich die Schule aus der 9. Klasse, um meine erste Lehre anzutreten.
Autor: Harald Schmidt